Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger

Mit einem Leserbrief haben wir auf den Artikel „Kriminell, ausreisepflichtig, trotzdem hier“* im Kölner Stadt Anzeiger reagiert. Er wurde etwas gekürzt abgedruckt, s.u.

Köln, 21.02.2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Schmalenberg,

mit großer Besorgnis haben wir den Artikel „Kriminell, ausreisepflichtig, trotzdem hier“ (Mi, 19.02.2025, Seite3) gelesen. Wir sehen hier eine einseitige Berichterstattung, die sich geschmeidig in die momentan gängige mediale Darstellung über ausreisepflichtige Menschen einfügt. Wenige Tage vor einer sehr entscheidenden Bundestagswahl ist dies nicht nur einseitig, sondern gefährlich. Stärkt es doch das Gefühl vieler Bürgerinnen und Bürger, dass ausreisepflichtige, geflüchtete Menschen per se eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Was natürlich nicht stimmt.

Daher wollen wir diesem Gefühl der Bedrohung ein paar weniger bekannte Fakten entgegenstellen, auch hier beispielhaft an den Geschichten von ausreisepflichtigen Menschen. Unter dem Titel: „Voll integriert und ausreisepflichtig –Geschichten von ausreisepflichten Menschen, die in Köln sehr fehlen würden“ laden wir den Kölner Stadt Anzeiger herzlich zu einem Gespräch ein. Wir bringen sie zusammen mit Menschen, z.B. mit Luena, die vor vier Jahren aus Angola nach Deutschland floh. Während der zwei Jahre, die sie  auf die Entscheidung ihres Asylantrags wartete, durfte sie weder arbeiten noch einen Sprachkurs besuchen. Sie lernte auf eigene Faust deutsch und übernahm kleinere Hilfstätigkeiten in der Erstaufnahmeeinrichtung (mit 0,80€ pro Stunde Bezahlung). Erst als sie im März 2022 Köln zugewiesen wurde, konnte sie an Integrationsangeboten teilnehmen. Über einen Sprachkurs, Berufsberatung, Arbeitsvermittlungsprojekt, Integrationskurs und mehrere Praktika spricht sie inzwischen fast perfekt Deutsch, macht an einem Berufskolleg einen Schulabschluss und hofft, über einen Ausbildungsplatz eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Denn ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie ist in Deutschland nur geduldet. Oder mit dem 30jährigen Omid, der im Irak seinen Bachelor im Bereich IT gemacht hat. Omid kam vor 2,5 Jahren aus dem Irak nach Köln, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Dass seine Ausbildung nicht anerkannt wird, akzeptiert er, er würde auch als Verkäufer arbeiten. Aber Jobangebote kann er nicht annehmen, da das Jobcenter ihm die Arbeitserlaubnis verwehrt. Oder mit Amal. Sie ist 44 Jahre alt und lebt seit drei Jahren in Deutschland. Sie floh aus dem Irak und ist schwer erkrankt, sie hat starkes Rheuma und eine schwere Traumatisierung. Und ist ausreisepflichtig.

Ein Bericht unter dem Titel „Voll integriert und ausreisepflichtig –Geschichten von ausreisepflichten Menschen, die in Köln sehr fehlen würden“ wäre ebenso wie der Artikel „Kriminell, ausreisepflichtig, trotzdem hier“ anekdotisch und einseitig, natürlich sind nicht alle ausreisepflichtigen Menschen genauso. Aber unsere Beispiele würden die andere Seite der Geschichte erzählen, unsere Beispiele können den Blick der Leser:innen erweitern, die Angst nehmen und Mitgefühl entstehen lassen. Ein äußerst wichtiges Gefühl für eine funktionierende Gesellschaft, die sich nicht über Sündenböcke definiert.

Nehmen Sie die Einladung an?

Gabi Klein, Kölner Freiwilligen Agentur


* Die Überschrift des Artikels wurde nachträglich auf der Online-Ausgabe des KStA geändert

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