Wir von der Kölner Freiwilligen Agentur erleben die Internationalen Freiwilligen vor dem Freiwilligendienst, wenn sie an unserer Vorbereitung teilnehmen. Und wir erleben sie nach dem Freiwilligendienst, wenn wir alle beim Rückkehrseminar wiedersehen. Deshalb wissen wir: der Freiwilligendienst macht einen großen Unterschied! Aus dem Ausland zurückgekommen sind gereifte Persönlichkeiten, die gelernt haben, Hindernisse zu überwinden  und daran gewachsen sind. Diesen Eindruck gewinnen wir regelmäßig.
Unser persönlicher Eindruck ist gut und schön. Er reicht aber nicht, um Außenstehende von der Wirkung internationaler Freiwilligendienste zu überzeugen. Deshalb wollten wir herausfinden, ob der Lernzuwachs gemessen werden kann. Die Befragung, die wir durchgeführt haben, zeigt genau das: Die Freiwilligen haben neue Kompetenzen gewonnen. Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse finden Sie hier: Download

Zum Hintergrund der Befragung
Wir haben die Freiwilligen gebeten, vor Beginn des Freiwilligendienstes ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen selbst einzuschätzen. Fast alle Freiwilligen haben sich beteiligt und die Fragen schriftlich und anonym beantwortet. Nach der Rückkehr nach Köln haben wir wieder gefragt und einen ähnlichen Fragenkatalog genutzt. Anschließend haben wir die Antworten der Vorher-Befragung mit den Antworten der Nachher-Befragung verglichen. Uns hat besonders interessiert, wie sich die Selbsteinschätzung der Freiwilligen verändert hat.
Teilgenommen haben 20 Freiwillige, die von der Kölner Freiwilligen Agentur in gemeinnützige Einrichtungen im Ausland vermittelt wurden. Die Freiwilligen waren zu Beginn ihres Freiwilligendienstes im Herbst 2015 zwischen 17 und 20 Jahre alt, überwiegend weiblich (vier Männer und 16 Frauen) und hatten einen hohen Schulabschluss (19 -mal allgemeine Hochschulreife, einmal mittlerer Schulabschluss).
Die Ergebnisse zeigen, dass die Erfahrungen im Internationalen Freiwilligendienst die große Mehrheit der Freiwilligen in ihrer Persönlichkeit gestärkt haben. Die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten wurden erweitert. Die Haltung, dass Einzelne durch ihr Engagement in der Gesellschaft etwas bewegen können, wurde gefestigt.
Hier einige interessante Einzelergebnisse aus der Befragung (die Zahlen sind Prozentwerte).

Die Freiwilligen können sich selbst besser einschätzen.
Antworten auf die Frage: Ich weiß, was ich kann und was ich will.

trifft gar nicht zu trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft zu trifft voll zu
vorher 20 40 30 10
nachher 5 4 16 53 21

Die Freiwilligen können besser mit Konflikten umgehen.
Antworten auf die Frage: Ich akzeptiere Kritik und kann sie positiv verarbeiten.

trifft gar nicht zu trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft zu trifft voll zu
vorher 5 10 60 25
nachher 63 37

Die Freiwilligen sind handlungsfähiger geworden.
Antworten auf die Frage: Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden.

trifft gar nicht zu trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft zu trifft voll zu
vorher 5 25 45 25
nachher 5 5 47 32 11

Die Freiwilligen können sich in der Sprache des Gastlandes viel besser verständigen.
Antworten auf die Frage: Wie schätzt du deine Fähigkeiten beim Sprechen der Sprache des Gastlandes ein?

ungenügend mangelhaft ausreichend befriedigend zufrieden sehr zufrieden
vorher 63 5 11 16 5
nachher 21 31 11 16 21

Die Freiwilligen gewinnen Sicherheit in der Wahl ihres Berufs.
Antworten auf die Frage: Ich weiß, was ich später studieren/welchen Beruf ich erlernen möchte.

ja nein
vorher 35 65
nachher 79 21

Die Freiwilligen wollen sich auch künftig freiwillig engagieren.
Antworten auf die Frage: Wie wichtig ist es für dich, dich ehrenamtlich zu engagieren (z.B. Kirche, soziale Einrichtung, Verein, Partei etc.)?

unwichtig eher unwichtig weder/noch eher wichtig sehr wichtig
vorher 5 55 30 10
nachher 6 27 61 6

Auch das Umfeld der Freiwilligen profitiert vom Freiwilligendienst.
Antworten auf die Frage: Durch meinen Freiwilligendienst haben meine Freunde/meine Familie eine neue Sichtweise entwickelt.

trifft gar nicht zu trifft nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft zu trifft voll zu
nachher 6 33 33 22 6

Die Freiwilligen stellen der Kölner Freiwilligen Agentur ein gutes Zeugnis aus.
79 Prozent der Freiwilligen waren mit der Zusammenarbeit mit der Kölner Freiwilligen Agentur sehr zufrieden oder zufrieden.

Wir haben bei der Untersuchung zurückgegriffen auf einen Fragenbogen von QUIFD aus dem Projekt „Entwicklung von Standards für Ergebnisqualität und Evaluationsinstrumente für Freiwilligendienste“ (September 2013) und auf einen Fragebogen der Umfrage der LMU München „Erfahrung von Jugendlichen während eines Auslandsaufenthaltes“ (November 2014).
Bei der Zusammenstellung der Fragen und der Auswertung hat uns Karoline Lorenz unterstützt. Herzlichen Dank!

Stellungnahme
Belegen diese Ergebnisse wirklich die Wirkung des Internationalen Freiwilligendienstes? Das haben wir Prof. Dr. Andreas Thimmel gefragt, der an der Technischen Hochschule Köln den Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung leitet und ein ausgewiesener Kenner der Internationalen Freiwilligendienste ist. Hier einige Auszüge aus seiner Stellungnahme:
Bildungsgelegenheiten in Freiwilligendiensten ergeben sich insbesondere durch die enge Verknüpfung von Handeln und Lernen. Die Freiwilligen werden im Rahmen der begleitenden Seminare und in den Einsatzstellen in verantwortungsvolle Tätigkeiten eingebunden und erhalten die Möglichkeit, vielfältige Wissensbestände zu erwerben und ihre Erfahrungen zu reflektieren. Den begutachteten Dokumenten ist zu entnehmen, dass die Kölner Freiwilligen Agentur e.V. auch konzeptionell die Vorbereitung eines Dienstes, die pädagogische Begleitung und Unterstützung während des Dienstes sowie die Nachbereitung und Reflexion bei Wiederkehr der Entsendeten durch verschiedene Module gewährleistet. Damit setzt sie einen auch aus fachwissenschaftlicher Perspektive gelungenen Schwerpunkt auf die Verbindung von praktischem Handeln einerseits und Reflexion innerhalb eines pädagogischen Settings andererseits.
Der lebensweltliche Lernaspekt bildet sich in den Ergebnissen der Vorher-Nachher-Befragung ab. Exemplarisch hierfür können die Ergebnisse zur personalen Kompetenz (scheint ja ein feststehender Terminus zu sein, dann geht natürlich auch Großschreibung) und Handlungsfähigkeit bzw. Problemlösungskompetenz genannt werden. Ein unabhängiges und starkes Selbstbild, sowie die Fähigkeit für eigene und andere Interessen einzustehen, im Falle von Widerständen Wege zu finden, sich durchzusetzen, bilden wichtige Elemente in der Ausprägung von Handlungsfähigkeit. In den genannten Items weisen die Selbsteinschätzungen der Freiwilligen eine Steigerung dieser Fähigkeiten auf. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen ein Trend zu einer gesteigerten Kompetenzentwicklung herauslesen, die die Grundlage für eine vermehrt autonome Lebensgestaltung bilden kann.
Der Freiwilligendienst lässt sich als subjektorientierte Bildung verstehen, die an den Erfahrungen, Bedürfnissen und Interessen der jungen Freiwilligen ansetzt. Auch hierzu lassen sich Antworten in der Befragung finden: So zeigt der Vorher-Nachher-Vergleich, dass die Motivation für weiteres freiwilliges Engagement bei den Befragten nach dem Freiwilligendienst (deutlich) gestiegen ist. Auch die Auseinandersetzung mit politischen Ereignissen und Gesellschaftswerten und eine individuelle Positionierung scheint den Befragten nach dem Dienst im Ausland wichtiger geworden zu sein. Diese Ergebnisse können als eine insgesamt stärkere Orientierung an gesellschaftlichem Engagement, Mitverantwortung und politischer Bildung (Demokratiebildung) gelesen werden.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Befragung methodisch und konzeptionell auf Grundlage der vorliegenden Dokumente insgesamt sehr positiv zu bewerten. Auch wenn längerfristige Bildungsprozesse aus methodischen Gründen nicht abgebildet werden können, zeigt der Vergleich das große Lern- und Bildungspotenzial, das ein Internationaler Freiwilligendienst besitzen kann. Die Selbstevaluation der Kölner Freiwilligen Agentur e.V. zeugt von einer kritischen Perspektive auf die eigene Praxis und verweist damit auf die Motivation, die Potenziale des Freiwilligendienstes zu fördern und für den politischen Diskurs zu stärken.
Die Langfassung der Stellungnahme finden Sie hier Download

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