Eigelstein autofrei – ohne Bürgerbeteiligung!?

Ausgelöst durch einen Bürgerantrag des Bürgervereins Kölner Eigelstein vom Mai 2019 hat die Bezirksvertretung (BV) Innenstadt am 30. Januar 2020 mit einer Stimme Mehrheit beschlossen, dass die Verwaltung die weitgehende Sperrung des Eigelsteins (von der Torburg bis zur Machabäerstraße) für den Autoverkehr planen und diese Planung der BV vorlegen soll. Anschließend soll sie – in Abstimmung mit der BV – der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Mit diesem Beschluss hat sich die Bezirksvertretung für die weitestgehende von vier durch die Verwaltung vorgelegten Varianten entschieden. Diese Variante geht über das Ansinnen des Bürgerantrages hinaus, wird von diesem aber ausdrücklich begrüßt.

Außerdem folgt dieser Beschluss nicht der Verwaltungsempfehlung, alle vier Varianten einer möglichen Verkehrsberuhigung und neuen Verkehrsführung zunächst im Rahmen einer Öffentlichkeitsveranstaltung zur Diskussion zu stellen. Diesen Verzicht auf die empfohlene Öffentlichkeitsbeteiligung kritisieren vor allem die in der Abstimmung unterlegenen BV-Mitglieder. Die BV-Mehrheit argumentiert dem gegenüber sinngemäß: Die sinnvolle Maßnahme, aus dem Eigelstein eine „Wohlfühlstraße“ zu machen, solle nicht unnötig verzögert werden. Und: Der Bürgerverein hätte in der Vergangenheit die Bürgerinnen und Bürger und die Geschäftsleute schon hinreichend in die Entscheidungsfindung einbezogen, sodass keine weitere Bürgerbeteiligung erforderlich sei.

Anlass für grundsätzliche Erwägungen

„Unnötige Verzögerung sinnvoller Maßnahmen“, „Verhinderung von Beschlüssen einer politischen Mehrheit durch Bürgerbeteiligung“, „taktisches Verhältnis zu einer Befürwortung oder Ablehnung von Beteiligung je nach dem“, „hinreichende Vertretung der Bürgerschaft durch einen Bürgerverein oder eine Bürgerinitiativ vs. mangelnder demokratischer Legitimation“ und ähnliches mehr sind Argumente und Kritiken, die nicht nur bei diesem konkreten Vorhaben geäußert werden.

Als Büro für Öffentlichkeitsbeteiligung / Kölner Freiwilligen Agentur haben wir eine grundsätzlich positive Haltung zur Beteiligung von Menschen an Planungen und Entscheidungen, die sie direkt oder indirekt betreffen.

Vor diesem Hintergrund wollen wir hier zwei Fragen nachgehen:

Erstens: Wurden die Bürgerinnen und Bürger im Quartier sowie die Geschäftsleute am Eigelstein hinreichend in die Entscheidungsfindung einbezogen?

Und zweitens: Kann ein Bürgerverein ein legitimer Veranstalter einer Bürgerbeteiligung sein, deren Ergebnisse dann die Grundlage für eine demokratisch legitimierte Entscheidung sind?

Wurden die Betroffenen hinreichend in die Entscheidungsfindung einbezogen?

Die Eingabe des Bürgervereins fokussierte auf die Abschaffung aller Parkplätze am Eigelstein:

„Der Eigelstein wird in seiner gesamten Länge vom ruhenden Verkehr freigestellt, in dem auf beiden Seiten der Straße keine Parkplätze ausgewiesen werden und stattdessen der so zurückgewonnene Straßenraum für die zu Fuß Gehenden und Fahrradfahrenden zur Verfügung steht.“

Dies war auch jeweils der wesentliche Inhalt in den voran gehenden Diskussionen im Rahmen der Veedelstreffs und auch der Öffentlichkeitsarbeit u.a. mit Plakaten.

Die völlige Sperrung des Eigelsteins für den Autoverkehr kam allenfalls in einzelnen Wortmeldungen zur Sprache. Auf Nachfragen der Verwaltung, was Vertreterinnen und Vertreter von der weitestgehenden Variante der völligen Sperrung hielten, haben diese eine solche Option ausdrücklich begrüßt.

Es lässt sich also nicht so einfach sagen, dass die Betroffenen, also die Anwohnerinnen und Anwohner und die Geschäftsleute am Eigelstein, vor der entscheidenden BV-Sitzung ausdrücklich mit der Frage konfrontiert wurden, was sie von einer völligen Sperrung des Eigelsteins halten.

Allerdings erscheint es legitim, die breiter diskutierten und im Bürgerantrag formulierten Positionen dahin gehend zu interpretieren, dass eine über die Beseitigung der Parkplätze hinaus gehende Verkehrsberuhigung von den Betroffenen bzw. einer großen Mehrheit begrüßt werden dürfte:

  1. In der zu beobachtenden Grundtendenz befürworten Anwohnerinnen und Anwohner eher eine Verkehrsberuhigung ihrer jeweiligen Straße – sofern ihnen (wenn sie ein Auto nutzen) noch die Zufahrt zur Wohnung ermöglicht wird.
  2. Ein kritischer Punkt ist bei der Verkehrsberuhigung der Wegfall von Parkplätzen. Hier sind Auto nutzende Anwohnerinnen und Anwohner wie die anliegenden Geschäftsleute gleichermaßen schnell besorgt. Dies hat sich auch in der Diskussion im Vorfeld des Bürgerantrages gezeigt. Und auf den Eigelstein bezogen hat sich dann ergeben, dass diese Sorgen ausgeräumt werden konnten.
  3. Da der Eigelstein keine für den Durchgangsverkehr relevante Verbindung darstellt und leicht umfahren werden kann, scheint es hier auch keine kritische Betroffenheit zu geben.

Zumindest die gut 150 Interessierten, die an dem Veedelstreffs des Bürgervereins im Februar 2020 teilgenommen haben, haben diese Interpretation zumindest in den öffentlichen Wortbeiträgen bestätigt. Im Wesentlichen sind hier keine ablehnenden Stimmen gegen die Sperrung des Eigelsteins für den Autoverkehr laut geworden.

Allerdings war in Seitengesprächen mit kundigen Anwohnerinnen und Anwohnern zu vernehmen, dass die Tücke noch im Detail liegen könnte: Die zum Teil weiterhin erforderliche Querung des Eigelstein mit dem Auto in die oder aus den Seitenstraßen. Hier wird die Verwaltung mit der nun anstehenden Planung gefordert sein. Und: Dies könnte ein notwendiger und sinnvoller Beratungspunkt sowohl in der Bezirksvertretung als auch in einer Bürgerversammlung sein.

Hätte also die Durchführung einer offiziellen Bürgerbeteiligung andere Ergebnisse erbracht? Der Kölner Stadt-Anzeiger gab hierzu am 20. Februar in der Printausgabe folgende Einschätzung:

„Trotz grundsätzlicher Einigkeit über das Ziel äußerten einige Besucher, darunter die Bezirkspolitiker von SPD und CDU, den Wunsch, die Stadt solle zunächst die Bürger informieren und beteiligen. Offen blieb aber, warum sich an einem solchen Verfahren andere Personen beteiligen sollten als bei den bisher durchgeführten Veranstaltungen des tatsächlich gut vernetzten Bürgervereins.“

Kann ein Bürgerverein ein legitimer Träger von Bürgerbeteiligung sein?

Der Verweis des Stadt-Anzeigers auf den „tatsächlich gut vernetzten Bürgerverein“ leitet zur zweiten Frage über: Ist es legitim und hinreichend, wenn ein Bürgerverein Bürgerveranstaltungen und andere Aktivitäten quasi als Ersatz für eine offizielle Bürgerbeteiligung durchführt?

Zunächst einmal gibt es keine veröffentlichten Hinweise, dass der Bürgerverein Eigelstein für sich in Anspruch nimmt, eine offizielle Bürgerbeteiligung ersetzen zu wollen oder zu können. Vielmehr hat er sich mit dem Bürgerantrag, der auf einer ausführlichen vorherigen öffentlichen Diskussionen basierte, gemäß Gemeindeordnung an die demokratisch legitimierten kommunalen Entscheidungsgremien gewandt.

Und es ist legitim und wohl auch übliche Praxis in der Bezirksvertretung wie im Rat und seinen Gremien, dass bei Entscheidungen Positionen von gesellschaftlichen Akteure einbezogen werden und dies umso eher, je mehr diese auf breiter Unterstützung aus der Bürgerschaft bzw. entsprechend organisierten öffentlichen Dialogen basiert.

Diese gesellschaftlichen Akteure können wissenschaftliche Expertinnen und Experten sein, wie dies aktuell vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie der Fall ist. Oder auch interessengeleitete Vorhabenträger (z.B. Investoren) bzw. Vorhabentreiber, wie es Bürgervereine, Bürgerinitiativen oder andere Lobbyorganisationen sind.

Die Verantwortung, die Legitimität der Akteure und die Substanz ihrer Positionen bis hin zur Gemeinwohlverträglichkeit zu beurteilen, liegt bei den demokratisch legitimierten Gremien – in unserem Fall bei der Bezirksvertretung. Sie müssen die entsprechenden Abwägungen vornehmen und auf dieser Grundlage entscheiden, und zwar in transparenter Weise. (Der transparente Umgang mit Vorhabentreibern bzw. Lobbyisten ist noch keine Selbstverständlichkeit – siehe z.B.: www.lobbycontrol.de).

Zur verantwortlichen Abwägung gehört auch eine kritische Beurteilung eines „Bürgervereins“. Dass der Verein das Wort „Bürger“ im Namen führt, heißt nicht, dass er auch tatsächlich für „die“ oder für „alle Bürger“ spricht. Es kann auch eine Interessengemeinschaft der Geschäftsleute sein, eine Vorfeldorganisation einer politischen Partei oder ein Verein ausschließlich der gehobenen Bürgerschaft. Hiergegen ist nichts einzuwenden – außer, dass die Positionierungen solcher Vereine jeweils anders gewichtet werden müssen. Je mehr ein Bürgerverein sich erkennbar um eine vielfältige, niemanden ausgrenzende Beteiligung aller Menschen in seinem Einzugsgebiet bemüht, um so mehr Gewicht kann den hieraus sich ergebenden Forderungen zugesprochen werden – auch dann, wenn sie den eigenen politischen Positionen widersprechen sollten.

Einmischen erwünscht!

Eigelstein autofrei – ohne Bürgerbeteiligung!? Was meinen Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser? Sind die Fragen, die wir hier aufgeworfen haben, die wesentlichen? Sind die Antwortversuche zutreffend? Haben wir andere wichtiges Sichtweisen – etwa Ihre – außer Acht gelassen?

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hier unter dem Artikel oder an: beteiligen@koeln-freiwillig.de

Die in diesem Beitrag zitierten Quellen sowie eine Übersicht über die Vorgeschichte, die Medienresonanz und öffentlich dokumentierte Diskussion sind in dem Beitrag „Eigelstein autofrei – eine Chronologie“ zu finden.

verfasst von Dieter Schöffmann, Büro für Öffentlichkeitsbeteiligung / Kölner Freiwilligen Agentur e.V.

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