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Unser Redaktionsmitglied Julian Bickmann im Gespräch mit Ahmad Sabsabe, DAAD Preistragender 2022 der katholischen Hochschulen NRW, über die Perspektive von Ahmad als Menschen mit Fluchterfahrung auf politisches Engagement:

 

Ahmad und ich haben uns für das Gespräch in der Caféteria der katholischen Hochschule in Köln getroffen, um bei einem Kaffee über seine Perspektiven auf politisches Engagement als auch sein aktives Handeln in diesem Bereich zu sprechen.

Ahmad ist ein freundlicher, offener und auch bedachter Mensch, der einem immer mit einem Lächeln begegnet und durch seine herzliche Art „Grüß‘ dich“ zu sagen das Gefühl gibt gehört zu werden. Hier an der katho ist er durch sein vielfältiges (hochschulpolitisches) Engagement bekannt.

 

Auf die Einstiegsfrage, warum er sich überhaupt politisch ehrenamtlich engagiert, hat er viele klare Antworten. Es sind der Wunsch und Wille zur Mitgestaltung – was konkreter meint: anderen Menschen ihre Partizipationsmöglichkeiten aufzuzeigen und bestmöglich auch konkrete Zugänge zu Partizipation zu ermöglichen. Dabei ist es ihm wichtig klarzustellen: es gibt grundsätzlich viele formale Angebote der Partizipation und Unterstützung. Das reine Vorhandensein reicht allerdings nicht aus, es müssen auch realistische Zugänge zu diesen geschaffen werden (hier führt er Ämter und Behörden kritisch an, die meist nicht dazu ausgebildet und sensibilisiert sind die Lage der  Mitbürger:innen adäquat zu unterstützen). Er betont, dass ihm an dieser Stelle die Betroffenenperspektive helfe und diese für ihn den zentralen Motivationsfaktor („gleicher Sinnhorizont“) darstellt. Das daraus resultierende soziale Verbundenheitsgefühl, dessen Relevanz sich auch in seiner Biographie verorten lässt, hat für ihn einen zentralen Stellenwert. In diesem Zusammenhang kann auch sein Antrieb verortet werden, dass er sich wünscht als positive Repräsentationsfigur dienen und gesellschaftliche (Rollen-)Bildern beeinflussen zu können. So beispielsweise für Kinder, Jugendliche und Studierende mit einer ähnlichen Geschichte, die einen „Akademiker sehen, der einen ähnlichen Namen trägt oder ähnliche Geschichte hat wie man selbst, was im Sinne von „trotz erschwerter und nicht gleichberichtigter Zugänge hat er es geschafft und ich könnte das auch schaffen“ ermächtigend und motivierend [für jene Personen] wirken kann“.

 

Seine eigene Geschichte nennt er dabei ebenfalls als relevant für sein aktuelles Engagement.  So war er bereits vor seiner Flucht nach Deutschland in Syrien politisch engagiert. Allerdings unter anderen Vorzeichen, denn, so führt er aus, „jede Demonstration und jede kritische Äußerung konnte dazu führen am nächsten Tag nicht mehr nach Hause zu kommen“ und auch die eigene Familie aktiv zu gefährden. In Syrien war seine politische Arbeit, wie auch heute noch, Teil seiner Identität, ebenso wie seine enge familiäre Bindung. Der Rückhalt seiner Familie, auch hinsichtlich seines politischen Engagements, bestärkte ihn, sowohl in Syrien als auch heute in Deutschland, immer wieder in seinem Handeln.

Das Thema soziale Identität bewertet er mittlerweile als problematisch. Durch ein hohes Maß an „Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen“ erlebte er sich in Deutschland zunächst als sozial wenig eingebunden. In Syrien kannte und kennt man sich untereinander. Traf man dort „andere Menschen auf der Straße, so war die Wahrscheinlichkeit groß, dass einen diese Person erkannte“ und anerkannte. Dies schuf ein Gefühl von sozialer Sicherheit und sozialer Eingebundenheit, was er in Deutschland auch heute noch vermisst. Über Vorurteile bzgl. Geflüchteten in Richtung: „flüchten aus Wohlstandssehnsucht“ kann Ahmad nur lächeln. Aus seiner Heimat zu flüchten, alle sozialen Verbindungen und ein Heimatgefühl aufzugeben und der Versuch sich all das neu aufzubauen hat für ihn nichts mit Wohlstand und einer blumigen Zukunft zu tun, sondern maximal damit „das Beste daraus zu machen, denn Freiheit heißt gleichzeitig Gerechtigkeit und Verantwortung. Und das ist ein hohes Ziel“.

An dieser Stelle hilft das ehrenamtliche politische und gesellschaftliches Engagement, da es einerseits zu Selbstwirksamkeitserfahrung und der Verortung des eigenen Handelns als wirkmächtig verhilft. Andererseits ist „ein gerechtes und menschenwürdiges Leben individuell sowie gesellschaftlich nicht einzig von sich allein möglich, sondern kann nur durch viele Begegnungen, Mühe und kritisch sein geschaffen werden“, so Ahmad. Diese gesellschaftliche Einschätzung ist dabei ermächtigend zu verstehen, als ein weiterer motivierender Aspekt für seine Arbeit. Denn, so führt er aus, es sei eine große Ressource zu „Wissen und erlebt zu haben, was es heißt, wenn ein Land scheitert“. In diesem Zusammenhang beschreibt er vor allem die wachsende Ungleichheit in Deutschland als sehr kritischen Faktor, der zu gesellschaftlichen Disruptionen führen kann. Dieser Entwicklung möchte er durch sein aktives Handeln entgegentreten, was er aktuell v. a. als Mitglied der AG Diskriminierungskritische und diversitätssensible Hochschule (AG DDH) an der katholischen Hochschule, in seiner Arbeitet als Fachkraft tut und ebenfalls durch seine Alltagsunterstützung von Menschen, die ihn bei Problemen und Fragen zu vielen Lebenslagen konsultieren.

 

JB

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