„Wir fordern, im Grundgesetz einen Artikel aufzunehmen, der Deutschland als Einwanderungsgesellschaft definiert und damit auch ein zusätzliches Staatsziel „Förderung gleichberechtigter Teilhabe und Chancengerechtigkeit“ ausweist.“ Diese Forderung ist die erste von vielen in einem politischen Katalog mit dem Titel „Mit Engagement demokratisches Zusammenleben in Vielfalt stärken“. Adressaten sind die zukünftige Bundesregierung und alle Fraktionen im Bundestag. Seit August sind die Forderungen rund um die beiden Themen „Deutschland – eine Migrationsgesellschaft“ und „Ehrenamt“ öffentlich. 41 zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Deutschland, auch die Kölner Freiwilligen Agentur, haben ihre Unterschrift darunter gesetzt. „Wir haben unterschrieben, weil auch wir in unserer täglichen Arbeit in Köln sehen, dass Deutschland eine Migrationsgesellschaft ist. Das müssen wir anerkennen und entsprechend agieren“, sagt Geschäftsführerin Ulla Eberhard.
Verfasst haben das Papier die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen und die Iranische Gemeinde in Deutschland, unterstützt wurden sie vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement. Die Autor:innen argumentieren so: Rund 25 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine Migrationsgeschichte, dieser Anteil wird sich laut aktueller Studien wegen des demographischen Wandels absehbar verdoppeln. Deswegen müsse der Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für ein Zusammenleben in Vielfalt verstärkt werden. Genau dafür brauche es neue rechtliche und strukturelle Rahmenbedingungen. Auch müsse der Öffentliche Dienst viel deutlicher den Migrant:innenanteil in der deutschen Gesellschaft widerspiegeln. Um für alle Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten, plädieren die Initiator:innen für ein neu zu schaffendes Bundesministerium für Diversität, Teilhabe und Migration.
Mehr Unterstützung für 29 Millionen Freiwillige in Deutschland
Konkret sind auch die Forderungen zum Ehrenamt: 29 Millionen Ehrenamtliche seien eine Stütze für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade nach der Coronakrise müssten diese Menschen neu gestärkt werden, und zwar durch veränderte Strukturen: Der Staat müsse weg von der immer wieder befristeten Projektförderung, hin zu einer nachhaltigen Unterstützung. Ein ganz wichtiger Schritt sei daher die Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes. Die Themen „gesellschaftlicher Zusammenhalt, Demokratiebildung und bürgerschaftliches Engagement“ gehörten in die Lehrpläne aller Schulen, Universitäten und auch in die Weiterbildung von staatlichen Verwaltungsangestellten. Und nicht zuletzt müssten alle Ehrenamtlichen, egal mit welchem Hintergrund, durch den Staat wirksam gegen rechtsextreme Angriffe geschützt werden. Denn immer mehr Menschen, die sich für ein Zusammenleben in Vielfalt engagierten, würden zunehmend Opfer von solchen Angriffen.
Mehr lesen? Hier geht´s zum Forderungskatalog: Zur Website des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
„Stiftung Aktive Bürgerschaft“: Neun Vorschläge für einen Neustart in der Engagementpolitik
Ein Modernisierungs- und Zukunftsprogramm fürs Ehrenamt fordert vor der Bundestagswahl auch die Stiftung Aktive Bürgerschaft von der zukünftigen Regierung. Es müsse ein zeitgemäßes Verständnis von Bürgerengagement im Verhältnis zum Staat her. Zu diesem Zweck schlägt die Stiftung die Installierung eines Beauftragten für Ehrenamt und Zivilgesellschaft bei der Bundesregierung vor. Eine Enquete-Kommission solle die Aufgabe übernehmen, das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft ordnungspolitisch neu und zeitgemäß definieren. Das von der Stiftung geforderte Update zwischen Staat und engagierter Zivilgesellschaft fängt bei Finanzierungsfragen an und hört bei dem Ruf nach Bürokratieabbau und Unterstützung beim Thema Digitalisierung noch lange nicht auf. Insgesamt geht es um neun Bereiche. Auch diesen Forderungen stimmt die Kölner Freiwilligen Agentur zu.
Mehr lesen? Hier geht´s zu den 9 Forderungen: Zur Website Stiftung Aktive Bürgerschaft
Wir sind dafür! Kölner Freiwilligen Agentur stützt Forderungen vor der Wahl
„Wir stehen voll hinter den Forderungen, die die Stiftung Aktive Bürgerschaft und das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement jetzt erheben. Ohne die ehrenamtliche Arbeit von Millionen Freiwilligen, ob mit Migrationsgeschichte oder ohne, sähe Deutschland anders aus, in jeder Beziehung! Das fängt bei den Grün- und Baumpaten an, die ihre Stadt oder ihr Dorf lebenswert erhalten, und ist mit dem immensen Engagement im sozialen und zwischenmenschlichen Bereich noch lange nicht zu Ende aufgezählt. Die Politik muss jetzt aber verstehen, dass von Seiten des Staates grundsätzlich und strukturell viel mehr geschehen muss, um bürgerschaftliches Engagement auch finanziell zu stabilisieren, denn es trägt und stützt unsere Demokratie“, so Ulla Eberhard.
Text: Irmgard Schenk-Zittlau