Die Kölner Freiwilligen Agentur hat im vergangenen Jahr Freiwillige nach China vermittelt. Anlässlich der Corona-Epidemie fragen wir bei Ulla Eberhard, Geschäftsführerin der Kölner Freiwilligen Agentur, nach.

 

Redaktion: Wie geht es den Freiwilligen? Sind sie noch dort?

Ulla Eberhard: Die Kölner Freiwilligen Agentur hat im vergangenen September vier Freiwillige nach China vermittelt. Sie unterstützten chinesische Studierende dabei, Deutsch zu lernen. Alle vier Freiwilligen sind im Januar oder Februar nach Köln zurückgekommen. Ihnen geht es gut. Beim Zwischenseminar haben wir mit ihnen gesprochen und fest gestellt, dass sie die unerwartete Situation wirklich gut gemeistert haben. Bei einer Freiwilligen war es etwas verzwickt. Sie war mit einer Arbeitskollegin aus ihrer Einsatzstelle zu deren Familie gefahren, um das Frühlingsfest zu feiern, so wie das sehr viele Menschen in China tun. Während des Frühlingsfestes wurde bekannt, wie weit sich das Coronavirus schon verbreitet hatte. Die Kleinstadt, in der sich die Freiwillige aufhielt, wurde abgeriegelt. Deshalb konnte sie zunächst nicht ausreisen und verbrachte viele Tage zusammen mit der Familie, die sie eingeladen hatte. Dabei muss man wissen, dass jedes Familienmitglied die Wohnung nur alle zwei Tage für eine kurze Zeit verlassen konnte. Da zeigte sich die chinesische Gastfreundschaft, von der ja oft berichtet wird, schon in besonderem Maße.

Redaktion: Wie ist die Situation in den Einsatzstellen?

Ulla Eberhard: Die staatlichen Feiertage zum Frühlingsfest wurden von der chinesischen Regierung auf 17 Tage verlängert. Deshalb waren auch die Einsatzstellen aller Freiwilligen so lange geschlossen. Sie sind bis heute nicht geöffnet, aber die Kurse finden trotzdem statt. Die Sprachlernzentren haben ihr Angebot kurzerhand auf ein Online-Angebot umgestellt, so wie die Universitäten auch. Jetzt lernen alle Studierenden online. Das alles wurde in der Zeit der verlängerten Feiertage umgesetzt, also in weniger als drei Wochen. Da komme ich schon ins Staunen.

Redaktion: Sind weitere Freiwillige betroffen?

Ulla Eberhard: Ja, eine Freiwillige ist von ihrem Freiwilligendienst in Norditalien zurück gekommen. Überrascht wurde auch eine italienische Freiwillige, die seit September ihren Freiwilligendienst in einer Kölner Schule leistet. Sie war nur kurz zu Besuch bei ihren Eltern in Norditalien. Als sie zurück nach Köln kam, musste sie erst einmal 14 Tage in Quarantäne.

Redaktion: Seht ihr kulturelle Unterschiede im Umgang mit dem Coronavirus?

Ulla Eberhard: Es ist noch keine vier Wochen her, dass in den Medien davon berichtet wurde, dass um asiatisch aussehende Menschen ein Bogen gemacht wurde, obwohl sie hier leben und sich gar nicht in Risikogebieten aufgehalten haben. Jetzt ist es umgekehrt. Die israelische Regierung hat unseren Freiwilligen in Israel mitgeteilt, dass sie für 14 Tage in Quarantäne müssen, wenn sie nach einem Urlaub in Deutschland nach Israel zurück kämen. Wir sehen also keine kulturellen Unterschiede, sondern Unterschiede je nach Betroffenheit. Je nachdem, von welcher Seite aus geschaut wird, sehen pauschal definierte Risikogruppen ganz anders aus.

Redaktion: Wie ist eure Erfahrung mit den Behörden?

Ulla Eberhard: Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Behörden beteiligt sein würden. Aber da war für uns doch einiges zu klären. Darf die Freiwillige, die ihre Eltern in Norditalien besucht hat, am Seminar der Europäischen Union teilnehmen? Darf sie nicht. Wie lange gilt der Versicherungsschutz, der eigentlich für die Zeit im Ausland gilt, nun weiter im Heimatland? Sechs Wochen. Wie lange wird Sonderurlaub gewährt und können die Freiwilligen später ihren Freiwilligendienst fortsetzen? Sechs Wochen Sonderurlaub, nach einer Unterbrechung können die Freiwilligen nach einer sorgfältigen Risikoabwägung ihren Freiwilligendienst fortsetzen – wenn sie wollen. Wir haben erlebt, dass sich das Familienministerium die Situation sehr genau schildern ließ und sehr auf die Bedürfnisse der Freiwilligen eingegangen ist.

Redaktion: Was seht ihr noch auf euch zukommen?

Ulla Eberhard: Wir sind erst einmal froh, dass niemand der internationalen Freiwilligen, weder im Ausland noch in Köln, erkrankt ist, und wir hoffen, dass das auch so bleibt. Wir bereiten gerade eine Konferenz mit acht Kooperationspartnern aus unseren Partnerstädten im Juni vor. Wir stellen uns schon die Frage, ob alle Partner kommen können. Wenn einige unserer Kooperationspartner erstmal zwei Wochen in Quarantäne müssen, bevor die Konferenz beginnen kann oder wenn sie in Quarantäne müssen, wenn sie wieder in ihrem Heimatland ankommen, wird das eine sehr zeitaufwändige Angelegenheit.

Redaktion: Welche Auswirkung hat die Coronakrise auf die internationalen Freiwilligendienste des Jahrgangs 2020/21, die im September beginnen sollen? Können sich Interessierte jetzt für Einsatzstellen in China, Italien und Israel bewerben?

Ulla Eberhard: Ja, Interessierte sollten sich auf jeden Fall bewerben. Wir wissen jetzt natürlich nicht, wie die Lage im Herbst sein wird. Möglicherweise müssen wir flexibler sein als sonst. Denn die Ausreise wird erst stattfinden, wenn die Städte, in denen die Einsatzstellen liegen, nicht mehr zu Risikogebieten erklärt werden.

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