Irgendwie unglaublich, dass ich jetzt schon seit einem Monat wieder hier bin. In meinem Wohnheim in Shenyang steht noch mein großer Koffer mit fast allem, was ich damals mit nach China genommen habe. Ein halbvoller Wäschekorb wartet auf mich – mich gruselt es ein bisschen bei dem Gedanken, den so lange stehen zu lassen. Als ich kurz vor dem Frühlingsfest zu einer Freundin nach Shanghai geflogen bin, dachte ich, in zehn Tagen bin ich wieder da. Stattdessen war ich zehn Tage später wieder in Deutschland.
Immerhin kann ich dadurch jetzt, wenn ich auf die vergangenen Monate zurückblicke, klar sagen, was ich an China alles vermisse. Das Erste, das mir dazu einfällt, ist Milchtee. In Shenyang ist keine Woche vergangen, ohne dass ich zumindest einen Becher Milchtee getrunken habe. Der von meinem Wohnheim aus nächste Milchteeladen war nur wenige Minuten entfernt, überhaupt gab es allein um die Uni herum ungefähr fünf verschiedene, alle mit unterschiedlichen Preisen und Sorten. Übrigens heißt Milchtee auf Chinesisch „NaiCha“, was sich viel appetitlicher anhört.
Außerdem vermisse ich meine Mitschüler aus dem Chinesisch-Unterricht, und meine Lehrer und den Unterricht selbst. Der war zwar oft typisch chinesisch, mit viel (unnötigem) Auswendiglernen, aber manchmal haben wir auch coole Sachen gemacht. An Weihnachten haben wir zum Beispiel eine Geschichte aus dem Lehrbuch nachgespielt, wo ein alter Mann mit seiner Familie einen Berg versetzt hat. In meinem Kurs waren andere Europäer, aber auch eine Amerikanerin, Vietnamesen und vor allem Nord- und Südkoreaner. Könnt ihr euch vorstellen, wie ein Nordkoreaner um die 30 Jahre mit einem knallroten Mikro vor dem Kurs steht und inbrünstig ein chinesisches Lied schmettert? Ich jetzt jedenfalls schon. Das Mikro hatte übrigens unsere Klassenlehrerin mitgebracht.
Und ich erinnere mich gern an die Arbeit im Sprachlernzentrum, wo ich mit den Teilnehmern der Deutschkurse viele interessante Gespräche hatte. Unter anderem habe ich mir in einer Sprechstunde erklären lassen, wie der Hongkong-Konflikt aus chinesischer Sicht abläuft. Anscheinend sind da irgendwie die Amerikaner schuld.
Mit Abstand meine Lieblingsevents waren das Sankt-Martin-Fest, wo wir mit den Kursteilnehmern Laternen gebastelt haben, und der deutsche Weihnachtsmarkt, bei dem ich mit meinen Freunden Kakao verkauft habe und sogar meine Lieblingslebkuchen kaufen konnte.
Ich vermisse den Park direkt neben der Uni, durch den ein im Winter halb zugefrorener Fluss fließt. Und den Schnee. Es hat zwar doch weniger geschneit, als ich erst gehofft hatte (vielleicht sind Minus 15 Grad auch einfach zu kalt für Schnee), aber dafür ist der Schnee dann lange liegen geblieben.
Seit ich zurück in Deutschland bin, wird die Liste an Dingen, die ich in Shenyang noch machen möchte, ständig länger; Zum Beispiel gibt es da ein Restaurant ganz in der Nähe der Uni, wo man super leckeres Guobaorou essen kann (das ist Fleisch mit süßer, knuspriger Kruste). Da wollte ich eigentlich vor meinem Urlaub in Shanghai noch mal hin, aber leider war es da schon geschlossen wegen des Frühlingsfestes.
Ich habe jetzt einen tieferen Eindruck von China, und habe in den fünf Monaten unglaublich viel gelernt und erlebt. Und eines ist sicher: Da will ich sobald wie möglichwieder hin. Und nicht nur, um mir endlich meinen Koffer zurückzuholen.
Pia Pape

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