Es ist schön, sich manchmal einfach Zeit zu nehmen.

Mentorenschaften für Geflüchtete sind vielfältig und unterschiedlich. Hier geben zwei Mentor*innen einen konkreten Einblick in ihre Tandem-Mentorenschaft. Viel Spaß beim Lesen!

Seit November 2013 führt die Kölner Freiwilligen Agentur in Kooperation mit dem Kölner Flüchtlingsrat das Projekt „Mentorinnen und Mentoren für Flüchtlingsfamilien“ durch. Die Freiwilligen unterstützen und begleiten für ein halbes Jahr neu zugewiesene Flüchtlings familienbei ihrem Einleben in Köln und heißen sie so willkommen. Die Freiwilligen werden vorab Qualifizierung und nehmen an monatlichen Reflexionstreffen teil. Hier berichten Ehemalige von ihren Erfahrungen.
 

Wer sind wir?
Weiblich, 31, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Köln
weiblich, 42, pädagogische Mitarbeiterin/Umschulung

Wen begleiten wir als Tandem?
3 Personen, Vater (28), Mutter (24), Kind (3 Monate) aus Eritrea.
Der Vater spricht gebrochen, aber verständlich Deutsch, außerdem etwas Englisch, Tigrinha, Arabisch und Amharisch.
Die Mutter spricht ein paar Wörter Deutsch und Englisch, fließend Tigrinha, Arabisch und Amharisch.

Der Unterstützungsbedarf bezog sich zunächst vor allem auf die Versorgung der neugeborenen Tochter, Anmeldungen bei den verschiedenen Ämtern, Arztbesuche, Ausstattung.
Weitere wichtige Punkte sind Familienzusammenführung (der Vater wohnte erst in einer anderen Stadt als seine Familie), Einrichten eines Bankkontos, Krankenversicherung, Korrekturen bei fehlerhaft ausgestellten Dokumenten, Festlegung des Sorgerechts ohne Trauschein, Vorbereitung auf das Asylinterview, Wohnungssuche.

Was machen wir in unserer Mentorenschaft? Was sind unsere Aufgaben?
Die Familie ist selbst sehr aktiv und kümmert sich um anstehende Termine und Amtsbesuche. Wir begleiten das Paar meistens zum Amt, manchmal noch mit einem Übersetzer, mittlerweile erledigt der Vater schon manche Termine alleine ohne jemanden, der über-setzt und/oder vermittelt.
Wir erledigen wichtige Telefonate, klären Behördenprozesse teilweise im Vorfeld, um unnötige Amtsbesuche/falsche Anlaufstellen zu verhindern und helfen beim Verstehen von Behördenbriefen.
Wir begleiten die Familie teilweise bei Arztbesuchen, vor allem beim Kind, um im An-schluss Details der Untersuchungen mit Zeit besprechen zu können.
Alle Angelegenheiten werden aber im Vorfeld mit der Familie abgeklärt. Wir fragen, was ihrer Meinung nach ansteht und gehen die Dinge dann gemeinsam an. Hin und wieder stellen wir Themen in den Raum und fragen, ob es in der Hinsicht Bedarf gibt (z.B. was Gebrauchsartikel angeht, Behördengänge, gemeinsames Deutschlernen, …). Beide möchten inzwischen unbedingt einen Integrationskurs besuchen, der Vater hat bereits die Berechtigung zur Teilnahme eines Kurses.
Wenn es keine akuten Themen zu erledigen gibt, treffen wir uns ca. 1x die Woche und unternehmen etwas, essen gemeinsam, tauschen uns aus. Manchmal finden die Treffen gemeinsam statt, manchmal wechseln wir uns dabei ab.

Was läuft richtig gut?
Das Verhältnis zu der Familie wurde sehr schnell herzlich und es freut uns, von der Familie als Freundinnen wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig ist viel gegenseitiger Respekt vorhanden. Wir stehen uns persönlich auf Augenhöhe gegenüber. Wir haben das Gefühl, die Unterstützung von uns wird als echte Hilfe wahrgenommen. Sie wird wertgeschätzt, aber nicht vorausgesetzt. Schön finden wir auch, dass der Austausch dadurch über das Abarbeiten von bürokratischen Angelegenheiten hinausgeht.

Was sind Herausforderungen?
Da vor allem der Vater gut Deutsch spricht, besteht die Gefahr, dass die Kommunikation zu sehr über ihn läuft. Daher versuchen wir immer, die Mutter in alle Entscheidungen einzubinden. Das ist bedingt möglich und macht die alleinige Kommunikation mit ihr schwierig, aber es ist möglich.
Eine weitere Herausforderung ist der Bürokratiedschungel, der manchmal viel Zeit in An-spruch nimmt. Verständlicherweise lässt dies die Familie verzweifeln und wütend werden.
Des Weiteren ist es für uns manchmal schwierig damit umzugehen, dass wir nur begrenzt Zeit haben, die Familie jedoch sehr viel. Die Familie ist aufgrund der sehr langen Dauer der Bearbeitung aller Anträge, die gestellt wurden, frustriert. Gerade der Vater drückt seinen Unmut über die Abläufe (langes Warten verbunden mit viel Geduld) aus und verweist auf seine Situation als Asylbewerber, der sich sehr viel Mühe gibt. Das sind aber Dinge, die wir nur begrenzt verändern können. Das heißt, man muss sich einerseits selbst klarmachen, dass nicht bei allem geholfen werden kann. Andererseits besteht die Herausforderung dann darin, Alternativen zu schaffen. Z.B. kann man versuchen, den Fokus vom Warten auf Aktivitäten, die man in der Zwischenzeit machen kann, zu lenken.
Auf der persönlichen Ebene empfinden wir das Kennenlernen und uns-Bewegen in einer uns völlig unbekannten Kultur, besonders, wenn man sich in größeren Gruppen wiederfin-det, auch als (positive) Herausforderung.

Tipps für andere Mentor*innen:
Unserer Meinung nach ist es wichtig sich klar zu machen, dass man selbst begrenzt über Zeit und Energie verfügt. Manche über mehr, manche über weniger. Man sollte sich kein schlechtes Gewissen machen, weil man noch viel mehr helfen möchte/könnte, zeitlich aber eingeschränkt ist. Es geht nicht nur um die aktive Hilfe. Wir machen die Erfahrung, dass das „Da-Sein“ und miteinander Zeit zu verbringen den Menschen hilft und auch selbst aktiviert.
Es ist schön, sich manchmal, wenn wenig Organisatorisches ansteht, einfach Zeit zu nehmen. Daraus ergeben sich oft spannende Geschichten und schöne gemeinsame Erlebnisse.
Wir zehren auch besonders von den Aktivitäten wie der Taufparty der Kleinen oder einem kurzen Grillabend, da uns der zwischenmenschliche Kontakt unheimlich wichtig ist.

Interesse an einer Mentorenschaft? Machen Sie mit! Hier finden Sie mehr Infos…

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