Am 7. Dezember 2015 war Napuli Langa, die Frau aus dem Baum, auf Einladung des Forum für Willkommenskultur in Köln. Lesen Sie den kurzen Bericht zu diesem außergewöhnlichen Abend.

Wer ist Napuli Langa?
Napuli Langa, eine gebürtige Südsudanesin, kämpft seit Jahren für die Verbesserung der Situation von geflüchteten Menschen in Deutschland.
Nach kurzen Filmbeiträgen erzählt Langa ihre Geschichte: Als sie noch im Sudan lebte, war die Situation dort auf den ersten Blick „ok“. Aber auf die Frage, ob ihr das reiche, befand Langa, dass noch viel mehr zu tun sei: Zu schauen, was im eigen Leben wichtig ist und dann dem Ruf des Herzens zu folgen. Seither kämpft Langa für die Rechte der Menschen und der geflüchteten Menschen insbesondere.

Die Frage, die sich in der aktuellen Situation stelle, sei die, wer heute die Flüchtlinge sind; dass sie nämlich heute wie früher keine Nummern seien, die abgearbeitet werden müssten, sondern Menschen, die einen Namen haben. Laut Langa leben die Geflüchteten in Deutschland in „Lagern“, ohne Rechte zu haben. Für die Gewährung von Rechten kämpft Langa mit ihren Mitstreiter/-innen seit 2012.

Was ist das Refuggee-Movement in Berlin und bundesweit?
Auslöser für den Protest ist die Selbsttötung eines Geflüchteten in Würzburg, der auf die unmenschlichen Bedingungen aufmerksam machen wollte. Aktionen in deutschen Städten, Besetzungen von Häusern, Ämtern oder Kirchen, Protestmärsche, u.a. ein Marsch von Würzburg nach Berlin, und Bustouren durch die Flüchtlingsunterkünfte in verschiedenen deutschen Städten folgen. Berlin wird 2012 für zwei Jahre zum Zentrum des Protests der Aktivisten, wo sie eine Schule in der Ohlauer Strasse in Kreuzberg besetzen und ein selbst organisiertes Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz errichten. In Berlin-Kreuzberg soll ein Zufluchtsraum geschaffen werden, wo Aktivisten sich erholen und Kranke Unterstützung finden könnten. Langa drückt es so aus: „Wir stehen auf der Todesliste als geflüchtete Menschen“ und daran muss sich etwas ändern. Langa nennt vier zentrale Forderungen der Aktivisten: Aufhebung der Residenzpflicht, ein Ende aller Abschiebungen, die Schließung der „Lager“ und das Recht, in Deutschland zu bleiben und studieren zu dürfen.
In Berlin – so schien es – glaubten die Behörden in der damaligen Situation, dass man nur genug Zeit vergehen lassen müsse, und dass dann aller Protest vergessen sei. „Der Kampf geht weiter“, sagt Langa dazu nur.
Die Verhandlungen der Bezirksregierung von Berlin-Kreuzberg und der Integrationssenatorin Dilek Kolat sollten dazu führen, dass die Aktivisten den Oranienplatz räumen würden. Die Angebote ließen bei vielen Geflüchteten dann auch Hoffnung entstehen, denn es wurden bessere Unterkünfte, Geld oder Abschiebestopps versprochen. Langa reichte das aber nicht, das politische System müsse verändert werden. Wer mit solchen politischen „Deals“ einverstanden sei, trage nur das System des Kolonialismus weiter.
Als dann die Gruppe der Aktivisten sich zu spalten droht und sich das Flüchtlingscamp in (Selbst-)Auflösung befindet, sieht Langa nur noch eine Chance: Auf eine der Platanen am Oranienplatz zu klettern und dort den Protest weiterzuführen. Fünf Tage und Nächte hält sie es dort aus, ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich jedoch zusehends. Nach fünf Tagen soll sie von der Feuerwehr aus dem Baum geholt werden. Doch Langa bleibt auf dem Baum und bei ihren Forderungen. Sie tue das alles nicht für sich, nicht für Geld oder die eigene Aufenthaltsgenehmigung, sondern dafür, dass sich die Situation von geflüchteten Menschen grundlegend ändere, „Der Oranienplatz ist der politisch-symbolische Raum für unsere Forderungen“.
Nach fünf Tagen gibt Langa zwar die Besetzung der Platane – und damit die Besetzung des Oranienplatzes – auf, nicht aber ihren Kampf. Für sie ist es wichtig, sichtbar zu bleiben, die Aufmerksamkeit für die Situation von Geflüchteten wach zu halten und für Unterstützung der Bewegung zu werben. Dafür werden weiterhin Aktionen wie Besetzung von Parteibüros oder Ämtern, Hungerstreiks, Konferenzen oder ein aktives Networking durchgeführt.

Warum verlassen Menschen eigentlich ihr Heimat, den Ort, wo ihre Familie lebt?
Langa sagt, die Geflüchteten seien nicht hier in Deutschland, weil Europa „der Himmel ist“ und alles hier so toll sei. Niemand verlasse aus freien Stücken sein Zuhause. Nach ihrer Einschätzung sind die Geflüchteten in Europa, da sie durch die Intervention anderer Länder in Form von Waffenlieferungen, Durchsetzung der  ökonomischen Interessen und  Unterstützung korrupter Regime fliehen müssen („The refugees are here, because we are there“ so Langa). Die Folgen des Kolonialismus des 19. Jahrhunderts zeigten sich heute: Ethnische Konflikte, Ausbeutung durch westliche Firmen und Korruption haben zu Kriegen geführt, die die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Daraus leitet Langa das Recht ab, dass Geflüchtete in Europa sein dürfen, weil der Westen etwas verschuldet habe, was er jetzt wieder gut machen müsse. Deshalb sei eine Unterscheidung in „gute Flüchtlinge“ und „schlechte Flüchtlinge“, in solche die aus humanitären und solche die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, nicht zielführend. „Es darf keine Unterscheidung der Gründe geben, warum jemand hier ist“.

Was passiert heute?
Fast zwei Jahre nach der Räumung des Oranienplatzes lebt die Aktivistenszene weiter. Sie ist gewachsen, hat sich aber auch in kleine Gruppierungen zersplittert. Eine Vielzahl von Veranstaltungen wird angeboten, Besuch von Flüchtlingsunterkünften deutschlandweit, Konferenzen, Vorträge, Theaterevents. Über die Webseite oplatz.net ist ein Veranstaltungskalender der vielfältigen Aktionen abrufbar.

Ob es einen Moment gab, an dem Langa aufhören wollte. Klare Antwort: „Nein, nie. Das ist meine Herausforderung. Man kann vor Problemen nicht davonlaufen, die Probleme bleiben.“ So will Langa fokussiert bleiben und Politiker zu Handlungsoptionen bringen. Dazu wünscht sie sich die Unterstützung vieler, nicht durch „große Gesten“. Man brauche nicht nach Berlin zu fahren, um die Aktivisten zu unterstützen, „the movement is where ever you are“, sagt Langa. Einfach da sein, persönliche Kontakte zu geflüchteten Menschen aufbauen, sich solidarisieren, ein bisschen Zeit schenken. Das wäre schon ein guter Anfang. Langa betont sehr, dass neben der humanitären Hilfe auch der politische Kampf sehr wichtig ist. Auch im humanitären Ehrenamt kann man seine politische Haltung klar nach außen Tragen und somit Forderungen sichtbar machen und den Druck auf die Politik erhöhen.

Was passiert in Köln?
Zum Schluss fragt Langa die Anwesenden, was ihr Beitrag sei. Es sammelten sich viele Beispiele, die zeigten, dass es viele Projekte in Köln gibt, die geflüchtete Menschen unterstützen. Unter anderem wurde das Engagement der Willkommensinitiativen in Köln, der Verein Hbret oder auch das Flüchtlingspolitische Kaffee im Allerweltshaus genannt. Als die Bustour vor zwei Jahren in Köln Halt machte und die Aktivist/-innen vor der Ausländerbehörde protestieren, erfuhren sie damals sehr geringe Unterstützung von
Kölner/-innen und eine harte Vorgehensweisen der Kölner Polizei. Daher freute Langa sich besonders über die Einladung aus Köln und somit auch eine Unterstützung und große Anerkennung ihrer Proteste und Bewegung.

Zum Videorepot "Refugee Movement – Bustour" (eingestellt 09.05.2015)

News of Berlin Refugee Movement – from inside

 

 
 

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