Eine Patin berichtet: „So einen Prozess begleiten und beobachten zu können, ist wirklich ein unvergleichbares Gefühl!“

Johanna berichtet von ihrer gemeinsamen Zeit mit Melissa im Projekt „außerschulische Begleitung von Kindern mit Fluchtgeschichte“. Danke Johanna für dein großartiges Engagement.

Bericht von meiner Patinnenschaft Oktober 2021 – September 2022

Der Gedanke, der Gesellschaft irgendetwas zurückgeben zu wollen und die großen Privilegien, mit denen ich aufgewachsen bin, dafür zu nutzen, anderen mit weniger Glück zu helfen, verfolgt mich schon sehr lange. Er war auch mit ein Grund, warum ich ein Lehramtsstudium angefangen habe und jetzt eben auch dieses Ehrenamt.

Ich bin irgendwie da reingerutscht und fand es am Anfang sehr schwer, mir dieses fremde Kind, mit dem ich eine Bindung aufbauen soll, vorzustellen. Größtenteils habe ich mich natürlich gefreut, aber ich hatte Angst, dass diese Patinnenschaft vielleicht zu künstlich zusammengeführt ist und es seltsam und ungewohnt sein könnte. Am Anfang fiel es mir auch schwer, mit dem Patenkind, in diese Beziehung reinzufinden. Es hat vor allem mir ein bisschen an Geduld gemangelt, wodurch ich auch anfangs viel über mich selbst herausgefunden habe.

Zu Beginn wurde ich eher als Nachhilfelehrerin wahrgenommen, und es war nicht ganz klar, dass das nicht mein Beruf ist. Während letzteres jetzt sehr klar ist, war das Verständnis dafür, dass ich zur Nachhilfe da bin, bis zum Ende da. Ich habe nur gemerkt, dass das gar nicht schlimm ist. Und dass es auch das ist, was das Kind und seine Mutter eben brauchen. Meistens haben wir erst die von ihrer Mutter festgelegten Aufgaben gemacht und danach gelesen, gemalt und gespielt, auch mit den beiden Geschwistern. Sobald es wärmer wurde, waren wir auch viel draußen unterwegs, nicht zuletzt in ihren Sommerferien. Wir waren vor allem Fahrrad fahren, einmal auch bis zu mir nach Hause, aber auch in der Stadt, am Rodenkirchener Strand oder beim Sommerfest.

Die Mama ist sehr locker und lustig, doch wird sie in Bezug auf Schulleistungen etwas strenger. Ich habe zwar nie in die Erziehung der Mutter eingreifen wollen, aber schon versucht, Melissa ein wenig den Druck zu nehmen und ihr stattdessen die Freude daran zu zeigen. Ich glaube, das ist tatsächlich auch ganz gut gelungen. Melissa ist ziemlich gut in der Schule und eigentlich immer Klassenbeste, aber da sie Deutsch erst in der 1. Klasse gelernt hat, musste sie in der 2. Klasse sprachlich noch aufholen. Am Anfang des Jahres hatte sie Schwierigkeiten, Buchstaben zu Wörtern und Wörter zu Sätzen verbinden.

Und jetzt am Ende des Jahres ist das alles gar kein Problem mehr für sie. Ich glaube, Melissa ist überdurchschnittlich intelligent. Sie musste oft von ihrer Lehrerin gebremst werden, weil sie schon „mal“ und „geteilt“ mit mir üben wollte, obwohl sie das eigentlich noch gar nicht konnte. Dann durften wir nur bis zu einer bestimmten Seitenzahl im Matheheft die Übungen machen. Ich habe ihr aber trotzdem gerne alles schonmal erklärt und sie ermuntert, weiterzudenken.

Ich will Melissa auf jeden Fall nach dem Jahr weiter begleiten, auch, weil ich hoffe, dass dieses Potenzial, das sie hat, nicht übersehen oder unterdrückt wird. Als Melissas Mutter mich mal nach der weiterführenden Schule gefragt hat, und ich vorsichtig meinte, ohne Expertin zu sein, dass ich sie eigentlich zweifellos auf dem Gymnasium sehe, war sie sehr überrascht. Ich hoffe, dass man Melissa trotz anderer Startmöglichkeit nicht unterschätzt.

Ihr größter Traum ist es, später Pilotin zu werden. Unabhängig davon, ob sie das dann immer noch machen will, hoffe ich, dass ihr die Möglichkeiten dazu nicht verwehrt bleiben. Über Deutschland und Afghanistan, zwischen denen sie dann mit ihrem riesigen Flugzeug pendeln möchte, haben wir auch oft geredet. Ich erinnere mich an einen Abend, an dem sie, ihre Mutter und ich zusammensaßen und über ihre Frage geredet haben, warum es denn Krieg gibt und warum ausgerechnet da, wo sie eigentlich zu Hause wären.

So traurig das natürlich war, so dankbar bin ich für solche Einblicke. Ihre Mutter hat viel über das Schicksal und das Leben der Familie erzählt; ich durfte auch beim Zuckerfest dabei sein und wurde oft mit einem traditionell afghanischen Gericht bekocht. Es ist schwer, anderswo so bereichernde Erfahrungen zu machen.

Ich konnte also sehr viel aus diesem Jahr mitnehmen. Melissa ist für mich so etwas wie eine kleine beste Freundin geworden, was ich eben vor einem Jahr gehofft hatte, mir aber gar nicht vorstellen konnte. Inzwischen kann ich es mir nicht vorstellen, Melissa nicht zu kennen und all diese Erfahrungen nicht gemacht zu haben. Ich weiß auch, dass Melissa gut ohne mich klarkommen würde, das Lernen und Spielen zusammen aber einfach mehr Spaß macht. Gerade bin ich ein Semester im Ausland und ihre Familie überlegt wohl in einiger Zeit umzuziehen, aber ich hoffe, dass dieser einzigartige Kontakt erhalten bleibt!

Auch für das neue Jahr suchen wir so tolle Menschen, wie Johanna, die Lust haben ein Kind für ein Jahr außerschulisch zu begleiten.

Mehr Infos zum Projekt findest du auf der Projekthomepage: Pat:innenschaften für die außerschulische Begleitung von geflüchteten Kindern – Kölner Freiwilligen Agentur (koeln-freiwillig.de)

 

Neuste Beiträge