International erfolgreiche Bürgerbeteiligungsplattform „Consul“ jetzt auch in Deutschland – Nordrhein-Westfalen im Fokus

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Seit Jahren belegen Umfragen, dass die Beteiligungs- und Gestaltungswünsche der Menschen zunehmen. Konventionelle Beteiligungsprozesse stoßen dabei oft an ihre Grenzen, da nicht selten die immer Gleichen und leider oft zu Wenige teilnehmen bzw. die wenigsten Instrumente für die große Masse ausgelegt sind. Dabei bietet der digitale Raum die einzigartige Möglichkeit einer breiten Interaktion. Dies ist nicht nur zeitgemäß, sondern in Zeiten von Corona wichtiger denn je. Zwei Städte in Nordrhein-Westfalen zeigen sich dabei als Vorreiter in Deutschland: Detmold und Castrop-Rauxel. Beide nutzen die Open-Source-Software „Consul“.

Aktuell werden aufgrund von Corona vielen Bürgerbeteiligungsverfahren ausgesetzt, oder ganz abgesagt. Gleichzeitig denken immer mehr Städte über neue Wege der Bürgerbeteiligung nach und wie sie ihre Bürger:innen bei Entscheidungsfindungen besser einbeziehen können. Die Digitalisierung bietet dafür neue Möglichkeiten. So können Bürger:innen über digitale Partizipationsplattformen ihre Stadt vom eigenen Sofa mitgestalten. Sei es bei der Neugestaltung des Markplatzes, dem Ausbau des Radverkehrs, der Schaffung verkehrsberuhigter Zonen, der gemeinschaftlichen Erstellung eines Klima- oder Digitalkonzepts bis hin zur Entscheidung über finanzielle Mittel.

Zwar sind Paritzipationsplattformen kein Allheilmittel – die Seele der Demokratie ist und bleibt das persönliche Gespräch – aber der digitale Raum kann diese sinnvoll ergänzen. Sowohl als „Buttom Up“ – Instrument, das den Bürger:innen ermöglicht eigene Ideen in die Politik einzubringen. Oder als Seismograph für die Kommunen, um die Akzeptanz für mögliche Großprojekte zu testen. Das beste Beispiel, wie Beteiligung digital funktioniert und Digitalisierung demokratisch gestaltet werden kann, ist “Consul”.

Consul wurde 2015 als Open-Source-Software in Madrid entwickelt, mit dem Ziel die Bürger:innen zu ermächtigten, die Geschicke ihrer Stadt selbst mitzugestalten. Sie können Gesetzesideen einbringen, über die städtische Mittelverwendung abstimmen, oder über drängende Probleme in ihren Vierteln diskutieren. In Madrid konnte so eine neue Dimension politischer Aktivierung erreicht werden. Mittlerweile sind ca. 500.000 Madrilenen bei „Decide Madrid“ (der madrilenischen Consul-Version) registriert und nutzen diese regelmäßig. Dazu gab es einzelne Beteiligungsprozesse bei denen mehr als 200.000 Bürger*innen teilgenommen haben.

Dieser Erfolg hat seine Wirkung nicht verfehlt. Mittlerweile nutzen mehr als 140 Städte und Institutionen Consul in über 30 Ländern. Neben Metropolen wie New York und Buenos Aires, seit kurzem auch Detmold und in Kürze Castrop-Rauxel. Zudem steht schon eine Reihe weitere Städten und Initiativen in den Startlöchern.

Dabei stützt sich Consul auf fünf Säulen:

  1. Debatten – Diskussionsplattform, die nicht zu einer direkten Entscheidungsfindung führt, sondern der Stadt einen Einblick in die öffentliche Meinung und den Bürger:innen die Möglichkeit gibt, sich untereinander auszutauschen und ihre Erfahrungen einzubringen.
  2. Vorschläge – Bürger:innen können Ideen für neue Maßnahmen oder Aktionspläne einbringen und unterstützen, die in die Zuständigkeit der Stadtverwaltung fallen. Erreichen sie ein gewisses Quorum, wird darüber abgestimmt.
  3. Abstimmungen – Es kann sowohl über Vorschläge von Bürger:innen als auch von Institutionen abgestimmt werden. Außerdem ist es möglich, das gesamte Stadtgebiet oder nur bestimmte Bezirke einzuschließen.
  4. Bürgerhaushalte – Bürger:innen können Ausgabenvorschläge für Teile des städtischen Budgets machen, um Projekte in der Stadt umzusetzen. Die Vorschläge, die die meisten Stimmen erhalten, werden umgesetzt.
  5. Kollaborative Prozesse – Bürger:innen können sich aktiv an der Ausarbeitung von Verordnungen und Aktionsplänen beteiligen. Texte können gemeinsam entwickelt, kommentiert und diskutiert werden.

Consul ist durch seine modulare Bauweise aber nicht auf die oben genannten fünf Säulen festgelegt. Einzelne Instrumente können per Mausklick im Backend hinzugefügt oder deaktiviert werden. So startet etwa in Deutschland die Stadt Detmold mit einem kollaborativen Verfahren zur Digitalstrategie, während Castrop-Rauxel Consul für den Bürgerhaushalt und für den Klimaanpassungsplan einführen wird. München will dagegen das Debatten-Tool und das Vorschlagswesen für sich nutzen. Ähnlich zeigt sich das auch im internationalen Vergleich: New York und Porto Alegre nutzen das Bürgerbudget. Kolumbien und Uruguay stattdessen kollaborative Prozesse zur Entwicklung einer Nachhaltigkeits-Agenda auf nationaler Ebene.

Dementsprechend haben sich je nach Nutzer verschiedene Consul-Variationen herausgebildet, die einander zwar gleichen, sich aber auch durch lokale Besonderheiten unterscheiden. Die Basis ist jedoch der Open-Source-Code, der allen interessierten Städten frei und kostenlos zur Verfügung steht und der von allen Beteiligten (Städte, Universitäten, IT-Expert:innen) stetig weiter entwickelt wird.

Gerade für eine Open-Source-Plattform ist eine hohe Anzahl von Anwendungsfällen wichtig, da diese so hinsichtlich Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit immer weiter optimiert werden kann. Somit war der Ansatz von Madrid, allen interessierten Städten die Software kostenlos zur Verfügung zu stellen, durchaus auch von Eigennutz begleitet: Je mehr Städte sich vernetzen und Consul nutzen, desto stärker profitiert jede einzelne Stadt – und je besser Consul funktioniert, desto mehr Städte treten bei.

Der damit einhergehende hohe Sicherheitsstandart, die Nutzerfreundlichkeit, sowie die freie Verfügbarkeit und die Anpassbarkeit auf die jeweiligen Stadt-Bedürfnisse haben dazu geführt, dass die Consul-Community diese einmalige Größe erreicht hat und immer noch stark wächst – aktuell vor allem in West- und Mitteleuropa. Dies gilt es aber auch zu nutzen. Daher ist die Vernetzung zwischen den Städten, die Consul nutzen, für uns ein zentrales Anliegen. Denn nicht nur der Einsatz  modernen Technologien hilft uns, unser Miteinander offener, transparenter und partizipativer zu gestalten. Sondern auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen.

Verknüpfen wir die modernen technischen Möglichkeiten mit dem konventionellen Instrumenten der Bürgerbeteiligung und den vielfältigen Erfahrungen aus den Kommunen, haben wir die Möglichkeit eine bisher unerreichte Beteiligungskultur zu etablieren. Beispielhaft ist hier der Prozess zur autofreien Innenstadt in Madrid. Jahrelang wurde das Thema von den zuständigen Stadtregierungen nicht angegangen. Am Ende waren es die Madrider Bürger:innen die das Thema für ein lebenswerteres Madrid auf die Agenda brachten – und durchsetzten. Dabei waren es aber nicht nur einige wenige, sondern insgesamt mehr als 300.000 Menschen, die das Thema diskutierten, den gemeinsam erarbeiteten Vorschlag unterstützten und schlussendlich auch abstimmten. Eine umfassende Beteiligung, deren Impuls sich weltweit verbreitet hat und der nun auch in Deutschland angekommen ist.

Autor: Simon Strohmenger | Politikwissenschaftler, Referent „Digtiale Bürgerbeteiligung“ und Projektleiter „Consul“  bei Mehr Demokratie e.V.

 

Weiterführende Links:

Hauptseite Consul: http://www.consulproject.org/en/

Demo-Version Consul: https://demo.consulproject.org/

Die Consul-Version in Madrid: https://decide.madrid.es/

Weitere Informationen und Materialien: https://www.mehr-demokratie.de/themen/beteiligungs-software-consul/

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