Zusammen geht’s besser: Eine Patin und eine „Babellos“ berichten

„Bei dem Vorbereitungsworkshop saßen wir Ehrenamtlichen noch eng beisammen. Dann kam Corona. Mein Patenkind hab‘ ich online kennengelernt.“ So stellt Heike Byn (57) ihren Einstieg in das Projekt „Außerschulische Förderung von Flüchtlingskindern“ im März 2020 dar. Die Journalistin hat eine einjährige Patenschaft für die zehnjährige Indra übernommen. Indra kam mit ihrer Familie im Frühjahr 2019 aus Syrien nach Deutschland. Die Eltern meldeten Indra auf Empfehlung der Lehrerin für das Projekt an. „Indra ist sehr schüchtern. Sie braucht jemanden, mit dem sie spielerisch und ohne Notendruck ihr Deutsch verbessern kann“, sagt Heike Byn über Indras Bedarf.

Lina Abouzidann (zweite von links) mit ihrer Familie
Lina Abouzidann (zweite von links) mit ihrer Familie

„Mir war wichtig, dass die Eltern verstehen, was ich als ehrenamtliche Patin mache. Dafür brauchte ich eine Sprachbegleiterin. So kam ich an Lina“, beschreibt Heike Byn das Kennenlernen mit Lina Abouzidan. Lina Abouzidan (47) engagiert sich ehrenamtlich im Projekt Babellos – freiwillige Sprachbegleitung für Geflüchtete. Die Französischlehrerin ist selbst vor vier Jahren aus Syrien geflohen und weiß, wie wichtig ihr Engagement ist. „Ich konnte kein Wort Deutsch, als ich hier ankam. Ich weiß, wie schwierig das ist, daher will ich anderen helfen“, erinnert sich Lina Abouzidan. „Aber ich nehme auch selbst viel mit. Integration kommt nicht nach Hause, hat mein Deutschlehrer immer gesagt. Das stimmt. Mein Engagement zwingt mich, rauszugehen und Deutsch zu sprechen.“

So hat Indras Familie gleich eine doppelte Unterstützung bekommen: Lina Abouzidan hilft ihnen inzwischen oft, indem sie zum Beispiel Briefe von Ämtern übersetzt. „Wir haben uns lange mit dem Kostenzuschuss für einen Laptop beschäftigt“, nennt Lina Abouzidan als Beispiel. „Solche Anträge sind selbst für Muttersprachler nicht leicht.“

Heike Byn

Heike Byn trifft sich einmal in der Woche mit Indra. Meist ist auch deren ältere Schwester Alia (11) dabei. „Weil Indra sehr scheu und ängstlich ist, habe ich Alia beim ersten gemeinsamen Ausflug gefragt, ob sie Lust hat, uns zu begleiten. Danach hat Alia immer öfter gefragt: ‚Frau Heike, kann ich mitkommen?‘ So sind wir zu einem eingespielten Trio geworden“, sagt Heike Byn zur Erweiterung der Patenschaft. „Zudem macht es zu dritt noch mehr Spaß. Anfangs hat Alia zwischen Indra und mir übersetzt. Ich hörte Indra immer nur ‚schuaalet‘ fragen. Inzwischen weiß ich, was das auf Deutsch heißt, nämlich „Was hat sie gesagt?‘. Jetzt diskutieren wir immer häufiger zu dritt, woher arabische oder deutsche Wörter kommen. So lernen nicht nur die Kinder, sondern auch ich mehr über die Wurzeln von Sprachen.“

Über das gemeinsame Engagement entwickelte sich noch ein weiteres Netzwerk, das zwischen den Familien von Lina Abouzidan und Heike Byn. „Als ich das erste Mal mit Lina telefonierte, wusste ich: ‚Das ist meine Frau‘“ sagt Heike Byn, „Sie hat mit viel Verständnis auf die Situation der Familie reagiert und konnte mir so viel erklären. Da war sofort eine ganz besondere Beziehung zwischen uns beiden.“ Lina Abouzidan bestätigt dies: „Wir können über alles reden, wir haben jetzt schon öfter mit unseren beiden Familien zusammen gegessen und uns über Syrien, Deutschland, Sprachen, Religion, Tradition und Politik unterhalten. Wir beide lernen viel voneinander.“

Lina Abouzidan und Heike Byn sind zwei von unzähligen Menschen, die sich in der ehrenamtlichen Geflüchtetenarbeit engagieren. Weitere sind herzlich willkommen!

 

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Infos zu den Projekten

Am 01. Mai 2014 startete das Projekt „Patenschaften für die außerschulische Begleitung von Flüchtlingskindern“. Seitdem wurden 380 Patenschaftstandems für eine einjährige Patenschaft zusammengebracht. Ziel ist, in enger Abstimmung mit den Schulen die Kinder spielerisch zu fördern und so ihre schulische Entwicklung nachhaltig zu unterstützen. Das Patenprojekt ist ein Kooperationsprojekt der Kölner Freiwilligen Agentur und des Kölner Flüchtlingsrat e.V.. Es wird gefördert vom Kommunalen Integrationszentrum der Stadt Köln.

Am 01.03.2018 startete das Projekt „Babellos – freiwillige Sprachbegleiter*innen unterstützen Geflüchtete“. Mehr als 900 Einsätze haben die Freiwilligen – zumeist mit eigener Fluchterfahrung – schon gemacht und die Nachfragen steigen an. Das Projekt der Kölner Freiwilligen Agentur e.V. wird gefördert von der Aktion Mensch.

 

 

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