„Natürlich reicht es nicht aus, alle fünf Jahre nur ein Kreuzchen zu machen!“ – Im Gespräch mit Thomas Leszke, Zukunftsrat Köln

,

Mit einem Aufruf von Thomas Leszke im Newsletter „Einmischen!“ der Kölner Freiwilligen Agentur fing Anfang 2021 alles an: Die Initiative „Zukunftsrat Köln“ bildete sich: „Uns verbindet die Vision einer Stadt, in der wir die großen und kleinen Fragen unserer Zukunft gemeinsam, konstruktiv und nachhaltig angehen!“ Dies soll über Bürgerräte geschehen, die mit Hilfe eines demokratischen Losverfahrens gebildet werden. Aktuell erarbeitet die Kölner Stadtverwaltung ein Konzept für die Erprobung von Bürgerräten in Köln (Link).

 Mit Thomas Leszke sprach die Newsletter-Redaktion der KFA

„Natürlich reicht es nicht aus, alle fünf Jahre nur ein Kreuzchen zu machen!“

  • Alle fünf Jahre finden in Köln Kommunalwahlen statt. Dann wählen wir Bürger:innen unsere bevorzugten Kandidat:innen oder Parteien, damit die uns im Rat bestmöglich vertreten. Euch vom „Zukunftsrat Köln“ reicht das nicht aus. Warum eigentlich?

Natürlich reicht es nicht aus, alle fünf Jahre nur ein Kreuzchen zu machen! Politik braucht immer aktiven Input aus der Bevölkerung, um gute Lösungen zu finden. Offensichtlich tun viele Menschen, Organisationen und Unternehmen das sowieso die ganze Zeit – also politische Vorschläge machen. Und das ist auch richtig so. Nur passiert das halt immer für konkrete Interessen. Was wir wollen, ist eine Stimme für die gemeinsamen Interessen aller Kölner:innen, also sozusagen Lobbyismus für das Gemeinwohl.

  • Köln braucht also einen „Zukunftsrat“. Was ist das genau?

Wir sagen: Köln braucht einen Bürgerrat – und zwar einen, der aus der Stadtbevölkerung ausgelost wird. Dieser Bürgerrat sollte immer wieder von der Stadt beauftragt werden, Lösungen zu wichtigen Zukunftsfragen zu erarbeiten, zum Beispiel in Bereichen wie Klima, Wohnen, Verkehr, Schulen, eben Dinge, die alle Kölner:innen etwas angehen. Natürlich sollte dabei alles relevante Wissen zur Verfügung gestellt werden. Die Erfahrung mit Bürgerräten in anderen Kommunen und Ländern zeigt, dass hierbei oft sehr tragfähige Kompromisse entstehen, die Politiker:innen anschließend dankbar aufnehmen – weil sie sich ausnahmsweise mal nicht dafür rechtfertigen müssen.

  • Warum sollen die Teilnehmer:innen ausgelost werden?

Schon die alten Griechen wussten: Nur das Losverfahren ist wirklich demokratisch! (Lacht.) Aber das meine ich durchaus ernst: Wenn wir tragfähige Lösungen für ganz Köln wollen, brauchen wir einen Querschnitt der Bevölkerung! Und das Losverfahren ist die beste Methode, die Vielfalt Kölns abzubilden. Nur wenn Menschen aus Porz, Lindenthal, Chorweiler und Mülheim sich gemeinsam hinsetzen, und zwar auch der Bauarbeiter und die Putzkraft, kommen wir zu einer realistischen Politik

  • Wie optimistisch seid ihr denn, dass die per Los gewählten Kölner:innen überhaupt mitmachen wollen?

Bei anderen Bürgerräten hat sich gezeigt, dass sich nur zwischen 5 und 10 Prozent der ausgelosten Personen zurückmelden. Das müssen wir einkalkulieren. Aber man kann auch gegensteuern, etwa indem man sich bei diesen Menschen nochmal persönlich meldet und ihre Fragen und Zweifel ausräumt. Natürlich ist es auch wichtig, die Teilnehmer:innen zu unterstützen, zum Beispiel mit KVB-Tickets, Kinderbetreuung, Verpflegung usw.

  • Ihr möchtet zum Beispiel einen „Zukunftsrat Schule“ in Köln durchführen.
    Worum geht´s dabei?

Seit der Pandemie, aber auch schon vorher, haben Schulsprecher:innen lautstark beklagt, dass sie bei Entscheidungen über Schulthemen oft komplett ignoriert werden. Wir möchten einen Rahmen anbieten, in dem Kölner Schüler:innen sich direkt und kreativ einbringen können – zu einer selbstgewählten Fragestellung. Natürlich gibt es auch in Köln eine Schülervertretung, die ebenfalls mehr Gehör verdient. Aber diese Schulgeneration ist so divers wie nie, und genau das soll in einem ausgelosten Zukunftsrat Schule auch sichtbar werden.

  • Der Rat hat 2022 die Verwaltung beauftragt, ein Konzept für die Erprobung eines Bürgerrats zu erstellen. Trotzdem ist bisher ja alles noch Theorie. Gibt es konkrete Vorbilder, auf die ihr euch beruft?

Ja, große Inspiration liefert unsere eigene Kölner Stadtgeschichte: Schon 1979 gab es die sehr erfolgreichen „Planungszellen“, in denen geloste Bürger:innen unser Gürzenich-Areal gestaltet haben. Es ist eigentlich unfassbar, dass daran nicht schon viel früher angeknüpft wurde! Und darüber hinaus: Ganz besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat die Verfassungsänderung in Irland, die 2018 durch einen Bürgerrat eingeleitet wurde. Für uns aber ist vielleicht das Modell in Ostbelgien das große Vorbild: Dort gibt es einen permanenten Bürgerdialog, in dem geloste Bürger:innen sogar die Themen selbst festlegen. So geht Demokratie von unten.

  • In Köln wird oft beklagt, dass alles viel zu langsam geht, nichts entschieden wird, alles teurer wird – macht ein Bürgerrat nicht alles noch langsamer?

Ich bin fest überzeugt, dass ein Bürgerrat nicht für Verlangsamung, sondern für Beschleunigung sorgen würde! Das, was in der Politik oft viel Zeit kostet, ist das Ausbalancieren der Interessen, gerade bei Themen wie Klima oder Verkehr. Im Bürgerrat ist der Arbeitsmodus kooperativ, weil niemand sich gezwungen sieht, das Beste für die eigene Partei rauszuholen. Die Leute konzentrieren sich auf ihre Aufgabe und handeln einen stadtweiten Kompromiss aus, der anschließend umgesetzt werden kann. Viel effizienter geht es eigentlich nicht.

  • Letzte Frage: In welcher Beziehung steht ihr zur Kölner Freiwilligen Agentur?

Diesem KFA-Newsletter, in dem Anfang 2021 mein Aufruf erschien, verdanken wir es, dass wir als Team überhaupt zusammengefunden haben. Zudem hat uns Dieter Schöffmann immer wieder beratend zur Seite gestanden. In diesem Sinne also vielen Dank für dieses Gespräch!

 

Neuste Beiträge